„Lass edle Wut aufkochen wie eine
Welle. Es herrscht ein Menschenkrieg, ein heiliger Krieg!“ - Ein
Black Metal Album, für das eine Aufnahme des Rote Armee Chors
als Intro dient hört man nicht alle Tage, wenn dann auch noch
Hammer und Sichel das Cover zieren ziehen instinktiv die meisten,
selbst noch so politisch Unkorrekte, den Schwanz ein. Menegroth
haben etwas geschafft, worauf man im heutigen Black Metal unglaublich
stolz sein kann: sie haben tatsächlich provoziert, und gar die
Szene selbst. Mit Das Rote Werk liefern die Schweizer ein
Album auf einem intellektuellem Niveau, welches man im politischen
Black Metal sonst vergeblich sucht; ein Niveau was man sonst nur von
Antitheologen wie Deathspell Omega in der religiösen
Sparte findet. Liest man Reviews und verfolgt sonstige Reaktionen auf
das Album zeigt sich auch sofort, dass der gewöhnliche Black
Metal und/oder NSBM-Fan damit weitestgehend überfordert ist (und
sowieso gilt nur rechts als cool und wer ein wenig in linken
Vorstellungen schwelgt wird automatisch zum Buhmann). Zu tief gräbt
das Album in der politisch-philosophischen Kiste und fördert
dabei vor allem etwas zu Tage, was selbst so manchen Experten diesen
Gebietes zur Weißglut treibt: Ernst Jüngers Der
Arbeiter.
Doch bevor die tiefgehende
Interpretation beginnt sei ein grober Überblick gegeben.
Zwölf Stücke vereint Das
Rote Werk, welche den ideengeschichtlichen und realhistorischen
Ablauf der Entstehung und Etablierung der Sowjetrepublik Russland
metaphorisch überzeichnet darstellen. Von Jüngers
Vorstellungen des Arbeitertypus über die Oktoberrevolution, hin
zur Machtübernahme Stalins und den damit einhergehenden Verrat
der kommunistischen Idee.
Mit Der STAHLinistische Arbeiter
liefert Texter Marinetti eine, für einen Black Metal Text,
hervorragende Zusammenfassung des jungen Jüngers Hauptwerkes.
Strophe für Strophe, gar Zeile für Zeile findet ihr
Äquivalent auf einer der 300 Seiten. Der Typus des Arbeiters
entspricht dem „geborenen Pionier einer neuen Landschaft“
schreibt Jünger, ein Typus der aus der titanenhaften
Mechanisierung der Moderne das bürgerliche Individuum vertreibt.
Bei Menegroth hört sich das so an: „Schmilzt er die
Stände in sich ein, / gebiert daraus eine neue Welt: / ein
eiserner Adel will geboren sein / unter einem LED-Himmelszelt. // Der
Arbeiter aus Stahl ist zum Kampf bereit, / denn nieder geht die alte
Zeit! / In feuerroten Flammen / alles bürgerliche verdammen!“
Der Arbeiter ist Typus, ist eine uniforme Maske und „in dieser
Maskenhaftigkeit, die bei Männern einen metallischen [...]
erweckt“ zeichnen auch Menegroth ihren Arbeiter. „'Ja' zu sagen
zum Nidergang, / zur auflösung der Klassen, / zum egalitären
Massendrang, / zur Vermischung der Rassen! // Bis eine neue Welt sich
formt, / ein neuer Adel entsteht, / Ungleichheit sich neue Werte
normt / und ein neues Banner weht!“ ist die lyrische Entsprechung
von: „Erst die völlige Zersplitterung, das Sinnloswerden der
alten Gefüge macht es möglich, daß die Wirklichkeit
eines anderen Kraftfeldes in Erscheinung tritt.“ Und einige Seiten
weiter, dass „Rasse innerhalb der Arbeiterlandschaft mit
biologischen Rassebegriffen nichts zu schaffen hat. Die Gestalt des
Arbeiters mobilisiert den gesamten Bestand ohne Unterschied.“ Was
auf den ersten Blick wie marxistische Theorie aussieht, kommt
eigentlich aus ganz anderer Richtung.
Rote Revolution setzt von der
Außenwirkung ebenfalls hier an. Stärker noch sieht es nach
klassischem Sozialismus aus, doch gibt direkt die erste Zeile die
eigentliche Richtung vor: „Roter Merkur offenbart sich uns“. -
Wir befinden uns in der Alchemie, bei den bisherigen Evola-Einflüssen
im Werke Menegroths nicht verwunderlich. Der historische Vorgang der
Oktoberrevolution wird alchemistisch ausgelegt und weicht damit ab
von der Glorifizierung der sozialistischen Revolution in ihrem
politischen Lager, nicht nur weil der marxistische Materialismus
durchbrochen wird, auch weil diese historische Betrachtung keine
wertende ist sondern die Konsequenz der Materialisierung der Idee zum
Hintergrund hat; „Magie ist Physik durch Wollen“, der Wille zur
Macht, dies ist der Diskurs in dem sich dieses Stück bewegt.
Diesen Kommentar setzt Sowjetische
Nächte fort und bringt erstmals eine sexuelle Komponente ins
Spiel, die später noch wichtig wird. Kampf, Sex und Alkohol, die
Trinität des Rausches, wird besungen, was erneut Jünger ins
Gedächtnis ruft, diesmal mit Der Kampf als inneres Erlebnis
sowie der berühmt-berüchtigen Burgunderszene der
Strahlungen (fast wie eine Illustration dieser Szene sieht
auch das Booklet an dieser Stelle aus, wobei dies wohl eine
persönliche Überinterpretation ist).
Marxistische Mysterien treibt es
auf die Spitze. Wenn Stalin und Lenin Techno-Nekromantie in einem
antiken Tempel zwischen Tesla-Spulen und Räucherschalen
betreiben um Marx zu neuem Leben zu erwecken fragt man sich, ob man
das noch ernst nehmen kann. Aber ja, innerhalb des Ideenkosmos dieser
Band ist das möglich und nur berechtigt, denken wir daran, dass
sie (die Band, nicht Stalin und Lenin, versteht sich) auf dem vorigen
Album auch mit Reichsflugscheiben durch Nebel und Kometenstaub
geflogen sind. Hier zeigt sich erstmals offensichtlich die
eigentliche Intention des Konzeptes: die Bloßstellung, wie
unreflektiert Kommunisten ihre historischen Persönlichkeiten
glorifizieren. Zugleich kristallisiert sich mehr und mehr eine
interessante Alternative: Die Symbiose aus Alchemie und der
bolschewistischen Lehre, aber nicht in der pervertierten
Halbherzigkeit des Nationalsozialismus sondern auf dem
philosophischen Niveau eines Alexander Dugins. „Es lodern die
Flammen /zum letzten Gefecht! / Hörst die Signale / Völker
dieser Welt! // Aus Ruinen auferstanden: / Diese Welt soll unser
sein!“ So endet das Stück und zitiert mit der Internationalen
und Auferstanden aus Ruinen nun auch munter aus
kommunistischem Liedgut, was sich hervorragend in den Kontext im
Sinne obiger Interpretation einbettet.
Wo nun die Sowjetrepublik installiert
ist, kommt es zum Wendepunkt des Albums. Hier, im Zentrum, befindet
sich ein Ambientstück, dessen Titel aus den astrologischen
Zeichen für Merkur und Sonne, sowie einem alchemistischen Symbol
für Schwefel besteht. Ein Aphorismus des kolumbianischen Denkers
Nicolás Gómez Dávila wird geboten: „Die
moderne Gesellschaft erniedrigt sich mit solcher Schnelligkeit, dass
wir an jedem neuen Morgen mit Nostalgie des Gegners von Gestern
gedenken. Die Marxisten fangen schon an, uns als die letzten
Aristokraten des Okzidents zu erscheinen.“ Dieses Zitat wirft die
Schatten des Stalinismus voraus, der nach einem ratadierenden Moment
sich bald seinen Weg bahnen wird; ein Schatten, der einem das
leninistische Sowjetrussland nostalgisch erscheinen lässt, in
dessen Vorzügen man noch eine Weile schwelgen kann.
Roter Phallinismus bildet einen
Teil dieses Schwelgens, des retardierenden Moments, und zugleich das,
was, wie ich finde, auf keinem guten Black Metal Album fehlen darf:
Ein Lied über Sex. Wie bereits einmal erwähnt spielt
Sexualität eine Rolle hier und in diesem Stück manifestiert
sie sich in wunderschönen Metaphern und tantrischen Aspekten.
Der Sexualakt als die Verschmelzung des männlichen und
weiblichen Prinzips bildet ohnehin einen alchemistischen Grundsatz,
der auch hier wieder um die mechanisierte Komponente erweitert wird.
Das Booklet illustriert das Stück mit einer futuristischen
Leninstatue, die in ihrer Erhabenheit vor phallischer Symbolik
strotzt. Nur ist auch Lenin nicht omnipotent und schon wieder drängt
sich der stalinistische Schatten auf, der nur darauf zu warten
scheint, dass das Glied erschlafft. Interessant ist in diesem Stück
übrigens auch ein musikalisches Experiment: zur Mitte hin kommt
ein grandioser Jazz-Part der sich sehen bzw. hören lassen kann
und die Rauschhaftigkeit des Stückes hervorragend unterstützt.
Red Lion Pub schreitet voran zum
Stalinismus. Noch im Rausch schwelgend wird der Bolschewismus zum
Löwen, den zu bändigen nicht jeder vermag. Immer wenn es um
Macht geht, geht es um die Vermehrung dieser, bzw. die Konzentration
dieser auf einen kleinen Personenkreis. „Nigredo – Albedo –
Rubedo“ heißt es hier, „schwarz – weiß – rot“
in unserer Sprache. In Deutschland kommt Hitler an die Macht,
Nationalbolschewismus ist mit Stalin en vogue, Trotzki ist die
Weltrevolution dennoch wichtiger. „Vollendet ist das rote Werk!“
schließt das Stück. Alles was nun kommt, ist anders.
Trotzki wird im Exil getötet.
In diesem Geist steht auch das folgende
Intermezzo, die Kosakenballade Nachts steht Hunger, deren
letzte Strophe wohlgemerkt ausgelassen wird. Zurecht, denn „das
Heer, dass keine Heimat hat“ ist tot, den Säuberungen zum
Opfer gefallen, so wird das Lied zum Schwanengesang eines einsamen
alten Kämpfers dessen Identität unklar bleibt. Ist er ein
alter Leninist, gar Trotzkist, oder doch im Sinne des Liedes ein
„Weißer“ aus Zarenzeiten?
Tanks'n'Roses zeigt die Wende.
Hinter der Metapher des „Baron vom weißen Heer“ verbirgt
sich Stalin der sich aufschwingt zum Sowjetdiktator und sich damit in
die Tradition des Zaren stellt, die Diktatur des Proletariats
unterbindet und nur neues Leid, neuen Krieg bringt. Noch weiter
interpretiert kann die Metapher auch eine Doppelfunktion haben und
durch das vorausgegangen „Nigredo – Albedo – Rubedo“ kann
sich hier auch Hitler verstecken, der Russland mit Panzern überrollt.
Beide sind sich ohnehin in Anschauung und Methode ähnlicher als
so manchem Neonazi wie Kommunisten lieb ist. Es handelt sich hier um
ein sowohl-als-auch, was selbstverständlich im starken
Widerspruch zur marxistischen Dialektik steht. Sowohl der
innerussische Kampf Stalins gegen seine politischen Gegner als auch
der scheiternde Russlandfeldzug wird thematisiert.
Die Mönche des roten Zaren
führt hin zum Ende. Sie „besiegeln mit imperialen Fanfaren /
des neuen Caesars Macht.“ Stalin ließ sich ab seinem 50.
Geburtstag „Führer“ nennen. „Die Welt, sie ist errettet
worden, / das Proletariat ausgestorben, / das Pantokrators höchster
Sohn / stieg auf den Weltenthron.“ Stalin als Messiasgestalt ist
eine gewagte aber im Kontext vollkommen berechtigte Aussage. „Der
Kreml / ist zurückgewonnen, / das Blut der Revolutionäre
geronnen, / der Zar besteigt den Thron. / Treu dem starken und
mächtigen Zaren, / der uns zum Ruhme führe und herrsche: /
Im Glanz der Tradition!“ Mit diesen letzten Zeilen wird nun darauf
verwiesen wie unter Stalin die russische Folklore und Tradition als
mächtiges Propagandamittel genutzt wurde, durch den sakralen
Bezug vor allem auch die russische Orthodoxie.
So kann das Album in aller Orthodoxie
auch enden, wenn es heißt Gott, schütze den Zaren.
Ja, Das rote Werk verwirrt und fordert
seinem Hörer eine Menge Gedankenarbeit ab und nach eingehender
Beschäftigung wird auch klar, wieso es diese Abstoßreaktionen
hervorrief. Der Rechte ist im allgemeinen so arrogant wie der Linke
dogmatisch und fürchtet jede Idee eines fremden Gedankenkosmos.
Der Alchimist hingegen ist geschult, die Gemeinsamkeiten der Dinge zu
sehen und diesen Überblick für sich zu nutzen. Das Rote
Werk ist ein Paradebeispiel für politische und denkerische
Kreativität; ein Black Metal Album, dass genau die Funktion
erfüllt, der Black Metal heuer nicht mehr nachkommt.
Wer sich dafür interessiert wie es
klingt, der lese die vorhandenen Rezensionen, denn auf nichts anderes
gehen sie ein, oder erwerbe das Album.
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