04.04.2012

Was gesagt werden musste

Renommierte Köpfe in der Bundesrepublik trauen sich nur selten, bittere Wahrheiten auszusprechen. Warum das so ist, beweist auch wieder der neueste Fall:
Günter Grass, der zuletzt in die Presse kam, als seine Vergangenheit als Mitglied der Waffen-SS bekannt wurde, hat auf seine alten Tage sich noch einem medienwirksam in Szene gesetzt mit einem antizionistischen Gedicht, dass hier einzusehen ist. Mal beiseite geschoben, dass dies Werk genau in die Sparte Lyrik fällt, die ich am wenigsten so bezeichnen möchte und die mir, ästhetisch betrachtet, so rein gar nicht gefällt (wie auch Grass' Werk insgesamt mir wenig zusagt), muss ich Grass inhaltlich in etlichen Punkten zustimmen, zumal mich das ganze sehr an meine vor eineinhalb Jahren verfasste und im November hier veröffentlichte Kritik an der Nachkriegslyrik erinnerte. Zustimmen kann ich da nicht, wo Grass immer wieder betont, wie sehr Tätervolk Deutschland doch sei, allerdings kann man diese Passagen auch nicht im (vermutlichen) Sinne des Autos so interpretieren, dass sie eben diese mangelhafte Vergangenheitsbewältigung anprangern.
Doch kommen wir zu den Reaktionen auf dies Werk: Wie sollte es anders sein - der Zentralrat der Juden ist hochgradig empört. Emmanuel Nahshorn (was ein Name!), israelischer Botschafter in Berlin haut zudem in die alte Kerbe, dass pünktlich zu Ostern die Juden mal wieder für irgendetwas als Sündenbock herzuhalten haben:
Was gesagt werden muss ist, dass es zur europäischen Tradition gehört, die Juden vor dem Pessach-Fest des Ritualmords anzuklagen
...
Michel Friedmann zu Günter Grass' Israelkritik: Gedicht ein „aggressives Pamphlet der Agitation“ - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/politik/deutschland/umstrittenes-iran-gedicht-zentralrat-der-juden-ist-entruestet-ueber-grass_aid_732743.html
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Das stimmt sogar, ich möchte nur stark anzweifeln, dass es Grass' Religiösität ist, die hier zum Vorschein kommt. Antisemitismus äußert sich heutzutage doch in erster Linie in Form von ZOG-Verschwörungen etc. anstatt religiöser Rachegelüste fundamentaler, Christentum missinterpretierender Anhänger des christlichen Glaubens.
Auch wird Grass vorgeworfen, er verdrehe Tatbestände. Demnach hat der Iran mit Sicherheit also Atomwaffen, bei Israel wird dies nur vermutet und Deutschland dürfe gefälligst zwecks Erhalt des Weltfriedens keine Waffen an den Iran ausliefern. Zudem dürfe man in Deutschland ungehindert Israel kritisieren, ohne gleich die kleine Welt des Zentralrats der Juden zu empören.
In aller Dreistigkeit heißt es zudem, Grass würde Israel das Existenzrecht aberkennen. Wer dies sagt, kann offenbar nicht lesen. Das Gedicht ist klar und eindeutig formuliert. Grass will lediglich, dass Israel eine friedlichere Politik betreibt, womit er sich in Gesellschaft von Erich Fried stellt, nur dass letzterer entsprechendes fordern darf, schließlich ist er Jude, was natürlich alles besser macht. Was da also interpretiert wurde ist noch abwegiger als die Rezension eines gewissen Spiegel-Autos eines kürzlich erschienenen Romans eines schweizer Schriftsteller, die immerhin auf einen Mangel an Ironieverständnis und generell Humor zurückzuführen ist.

Ja, die Grenzen zwischen Antizionismus und Antisemitismus sind fließend. Doch geht es nicht um Kritik am Staate Isreal ob seines Jüdisch-Seins, es geht um Kritik an westlicher Machtpolitik. Es ist doch nicht Israel alleine, dass den Iran als Bedrohung ansieht. Es gibt da insbesondere noch die USA (die allerdings eine Lobbykratie - die rassische Selbstdefinition der meisten Lobbyisten dort sollte hinlänglich bekannt sein). Und sowieso profitiert die westliche Wirtschaftswelt immer vom Krieg. Die Dekadenz, die in diesem Konflikt offensichtlich wird, kann widerlicher nicht sein. Ehrlichkeit ist in Gänze gewichen aus der modernen Machtpolitik. Mit allen Mitteln wird die trockene und korrekte Analyse eines Sachverhaltes unterbunden und schlecht geredet. Der Holocaust ist das ultimative Totschlagargument der deutschen Gesellschaft. Damit jedoch Geschäfte zu legitimieren, die, wie Grass trefflich beschreibt, einen größeren Schaden an der Menschheit anrichten könnten als dies Historikum, ist pure Bestialität. Ich spucke aus vor solch einem monströsen, ekelhaften Verhalten. Die antigrass'schen prozionistischen Agitatoren sollten sich schämen für diese Unmenschlichkeit. Pfui!

Erich Fried - Womit vergleichen?

Im Knesseth, dem Parlament von Israel
war von zionistischen Extremisten die Rede.
Ihre Terroranschläge haben zum Beispiel den
Bürgermeister von Nablus um beide Füsse gebracht.

Da erklärte der zweite Sprecher des Knesseth:
"Aber das ist ja
unsere Aufgabe ihnen die Eingeweide
und die Gliedmassen und die Augen auszureissen!"

Mir als Jude fällt der Vergleich
von Juden mit Nazis nicht leicht
aber womit
kann man diese Worte vergleichen?
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Michel Friedmann zu Günter Grass' Israelkritik: Gedicht ein „aggressives Pamphlet der Agitation“ - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/politik/deutschland/umstrittenes-iran-gedicht-zentralrat-der-juden-ist-entruestet-ueber-grass_aid_732743.html