13.01.2012

Eine kleine Entwicklungstheorie

Mit 21 Jahren tritt der Mensch ins Erwachsenenleben ein. Es ist kein Zufall, dass 21 ein Vielfache von 7 ist, denn die Menschenentwicklung erfolgt in Siebenerstufen, wie schon Rudolf Steiner erkannte und in seiner Pädagogik als Kernbestandteil einbaute.
Auch wenn heutzutage der individuelle Lebensweg nicht mehr ganz so determiniert verläuft (zumindest auf persönlicher Ebene, die Kosmik sei diesmal außen vor gelassen), orientiert er sich dennoch, vor allemn wenn man das gesellschaftliche Leben betrachtet, nach wie vor an den Jahrsiebten: Nach 7 Jahren elterlicher Obhut erweiter das Kind seinen Horizont durch den Eintritt in in die Schule, mit 14 kommt es in die Pubertät und erlernt Stück für Stück die Selbstständigkeit, welche dann mit 21 (im Normalfall) erreicht ist und es ermöglicht, eine individuell gewählte Ausbildung zu durchlaufen, welche mit 28 vollendet ist und den Menschen in der Gesellschaft positioniert. Um diese Position zu verankern gründet er Familie und baut ein Haus, mit 35 ist die Verankerung abgeschlossen und dient in weiteren Jahrsiebten zur Ausweitung, Erweiterung der Position in mannigfaltiger Gestalt, ob mehr Nachfahren, beruflicher Beförderung, Erschließung neuer Interessensgebiet und Fähigkeiten etc.
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Nun ist dieses SChema ein allgemeingültiges, so gut wie jede Biographie kann als Beweis dienen.
Die Qualität des Erreichten ist aber abhängig von sozio-psychologischen Bedingungen, die im weiteren nun erläutert werden sollen.
Als Grundliege dienen hier folgendene These meinerseits:
Charakterstärke ist ein universelles Potential, dass in jedem Menschen vorhanden ist, inwiefern es sich jedoch entfalten, kommt auf den Ursprungszustand des Potentials an und wie stark sein Ausbruch unterstützt und gefördert wird.
Ziel der Erziehung sei es, das Kind bzw. den Menschen in die Welt zu ziehen und es aus Abhängigkeit heraus zu ziehen.
Hierzu ist es von enormster Wichtigkeit, dass die Weltneugierde des Kinde von Beginn an gefördert wird. Die natürliche Neugierde des Kindes muss durch kindgerechte (bzw. altersgerechte) und verständliche Antworten auf alle fRagen unterstützt werden. Den größten Anteil daran nehmen die Eltern ein. Doch je mannigfaltiger auf die Vielfalt der Welt aufmerksam gemacht wird, desto besser ist es für das Kind, da so das Potential zur Bildung der Charakterstärke erhöht wird, was umso wichtiger wird, wenn das Potential tief verborgen zu sein scheint (bzw. ist), die natürliche Kindheitsneugier also ungewöhnlich gering ist.
Hier dient das Konzept der Patenschaft. Im Mittelalter war der Pate der eigentliche Erzieher, heute ist es Aufgabe des Paten (bzw. der Paten), dem Kind Perspektiven zu öffnen, ihm Aspekte der Welt zu offenbaren, die den Eltern verschlossen sind, ob nun ob unvermögens oder Desinteresse.
Es sind aber insbesondere die dem Kind nahestehenden Erzieher, die eine große Verantwortung tragen. Denn erst wenn das Kind begreift, dass es in der Welt immer etwas zu entdecken gibt, wird es seine Weltneugierde in der Autonomie (um nicht zu sagen: in der Mündigkeit) beibehalten. Moderne Erzieher, vor allem in Kindergärten und dergleichen, müssen sich dieser Verantwortung bewusst sein und sie von Herzen ausleben.
Sachliche Basis der Weltneugierde ist Wissen über die Heimat. Sowohl physischer Natur (also der direkten Umwelt) als auch psychischer Natur (also Wissen über Kultur und Geschichten, deren Zusammenhänge und Wurzeln), denn dieses Wissen dient dazu die Heimat mit dem Fremden zu vergleichen, denn durch diesen Vergleich bzw. das Wissen über die Ähnlichkeiten und Unterschiede wächst bzw. entsteht erst die Weltneugier, da man sich mehr Vergleichsmaterial ersehnt.
Dem Kind sind hierzu mystische und allgemeingültige Inhalte zuträglich, also Märchen, Sagen und Legenden, sowie altersgerechte Literatur (denn nicht jedes Kinderbuch ist tatsächlich für Kinder geeignet). Im späteren Kindesalter und in der Jugend werden relisiöse, historische und beliebige fiktionale Schrifterzeugnisse sowie andere Medien wie Filme relevant, die eigene und fremde Kulturen kennenzulernen.
Wie also der Themenfokus im fortgeschrittenen Alter verschoben wird, so kommt es auch zu einer Verschiebung im sozialen Umfeld, denn durch die Schule kommt ein neues Element hinzu. Bis zu Pubertät sind die Eltern zwar noch recht aktiv, durch neue Indentifikationsfiguren (konkret: Lehrer) aber nicht mehr so einflussreich. Durch Aktivität des Kinde in sozialen Verbänden wie Klasse, Vereine oder den anderen, die auf der Straße, im nahen Wald o. ä. ebenfalls spielen.
Durch die starke Vermehrung des gesellschaftlichen Umfelded wird die Weltneugierde erstmal stimuliert. Hier zeigt sich dann besonders das Potential der Charakterstärke. Wer hier aufgibt und über die Pubertät hinaus nicht einsieht, dass es mehr als Computerspiele und den Fußballverein gibt, wird es vermutlich bzw. nur mit größter Anstrengung zur Individuation schaffen, sondern im System stagnieren, seinen Charakter verschlaffen lassen.
Weltneugierde führt zu Reflexion.
Reflexion führt zu Individuation.
Individuation führt zu Weltneugierde.
Unsere (deutsche bzw. westliche) Gesellschaft stellt die Individuation als wichtigen Prozess dar und autonom-individuelles DAsein als einen erstrebenswerten Zustand. Doch ist diese Version der Individualität, der so viele anhängen, eine Gaukelei. Sie vertusch die durch den Zerfall der Familie enstandene Isolation und setzt die berechnete Funktionalität eines Menschen innerhalb eines Systems mit Individualität gleich, obwohl es sich, aus gebührender Ferne betrachtet, um das Gegenteil handelt: Uniformität.
Dass so viele Menschen diesen Schleier nicht lüften, hat mit ihrem Unvermögen, dies zu tun, welches auf mangelnder Charakterstärke basiert, zu tun.
Hier wird deutlich, was Nietzsche den Willen zur Macht nannte: Sich selbst zu lenken und nicht das System einen lenken lassen. Der Wille zur Macht ist die Charakterstärke. Wer sein Potential voll ausschöpft ist Übermensch, wer es verkommen lässt ist Untermensch.
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Nun ist Charakterstärke aber nicht nur die Befähigung, im Makrokosmos der Gesellschaft be-mächtigt zu sein, sondern auch im Mikrokosmus Dialog.
Charakterstärke ist Diskussionsfähigkeit.
Zuhören und zugehören sind nach verwandte Worte. Eine Grundvorraussetzung für eine funktionierende Diskussion ist, dass man sich einander zuhört. Dies ist jedoch mehr als die rein akustische Wahrnehmung. Es ist das dazugehören zu den Gedanken des anderen. Durch aufnehmen und durchleben werden sie erst richtig erhört. Aus der daraus resultierenden Reflexion kann erst eine rationale und angemessene Antwort formuliert werden.
Je besser man sich nach außen auf den anderen einlässt, desto tiefer blickt man dann auch ins Selbst.
Dies ist ein wechselseitiger Prozess, welcher, wenn von beiden Partnern richtig ausgeführt, das jeweilige Charakterpotential des Gegenübert stärkt und somit auch die Diskussionsfähigkeit, was wiederum auch auf die Individuation wirkt.
Erfahrung im Mikrokosmos wirkt sich also langfristig im Makrokosmos aus, und auch hier wieder umgekehrt.
Ist der Wille zur Macht eingeschläfert ist auch die Diskussionsfähig davon betroffen.
Das Ergebnis ist, dass Menschen aneinander vorbei reden. Antworten fallen dann irrational, meist emotional aus. Auch findet keine Einsicht statt, da kann man seinem Gegenüber noch so oft etwas noch so gut erklären - verstanden wird es nicht, zumindest wenn wirklich kein Funke Wille unter der Oberfläche mehr schimmert.
Eine häufig angetroffene Problematik liegt in der Terminologie. Menschen reden dann vor allem aneinander vorbei, wenn ihre Begriffe nicht gleich interpretiert sind. Objektive und neutrale Terme haben für weniger aufgeklärte eine Konnotation, was zu Missverständnissen führt. Und da man unterbewusst weiß, dass man unterlegen ist, bemüht man sich sein Unwissen mit Emotionalität - oft Diffamierung - zu kaschieren, anstatt den Mut zu haben, nachzufragen, um Erläuterung zu bitten; dies ist ebenfalls eine Frage des Willens zur Macht, der Charakterstärke, zu sich selbst zu stehen und, darauf aufbauend, sein Wissen zu mehren.
Früh gelernt zahlt sich aus, denn im Alter ist es erschwerlicher, sich Wisse und Fähigkeiten anzueignen.
Ein Umfangreicher Wortschatz kann hier hilfreich sein, - ist hilfreich. Denn je größer der Wortschatz, desto größer ist auch das allgemeine Wissen. Der SChluss liegt nahe, dass Synonymkenntnis für die Fähigkeit spricht, Sachverhalte differenziert und multiperspektivisch zu betrachten.
Alle Ausführungen lassen immer wieder den Schluss zu, legen ihn sogar nahe, dass in der frühkindlichen Erziehung der Lebensweg des werdenden Menschen massivst beeinflusst wird. Wir sollten uns bestens überlegen, was wir unseren Kindern zumuten. Unsere Gesellschaft hat an Idealismus nachgelassen. Doch Idealismus ist ein Aspekt der Charakterstärke. Der Wille zur Macht ist, sich ein neues Ideal zu suchen, wenn das alte erreicht ist.
Aus gebührender Distanz betrachtetwird alle sieben Jahre ein Ideal erreicht, unter immer anderen Umständen, in immer anderen Zusammenhängen, denn zu den Jahrsiebten gesellen sich die Neunerperioden die das Leben erst so spannend machen.