Patchwork-Religionen sind en vogue. Das Unvermögen der Heutigen, sich
einer Kirche und ihrer Mystik zu widmen, ist groß und zeitgleich machen
es jene Kirchen einem auch nicht leicht, passen sie sich doch auch dem
antidogmatischen Zeitgeist in Glaubensfragen an. Da der Normalgläubige
nun auch nicht unbedingt die geistige Reife und Offenheit hat,
Glaubensfragen wirklich zu durchdringen, glaubt er eben von allem etwas,
nämlich, was ihm gefällt. Ein bisschen christliche Nächstenliebe, ein
bisschen buddhistische Reinkarnationslehre (hinduistische ist ja ob der
Kastendogmatik absolut nicht angesagt), dann noch islamische
Wissenschaftsnähe und, nicht zu vergessen, diverse indigene
Schamanenzauber. Hier paart sich gefährliches Halbwissen mit weltoffenem
Gutbürgertum, dass niemals eine wirklich erkenntnisreiche
Glaubenserfahrung ermöglichen kann.
Doch Patchwork-Religionen sind
gar nicht notwendig. Sie sind vornehmlich ein Phänomen der
christlich-westlichen Welt und gerade die Christen bräuchten sie
eigentlich nicht, würden sie die Kirchen und die Gesellschaft nicht
derartig einlullen, sich wirklich intensiv mit den Botschaften
christlicher Lehre auseinander zu setzen, sprich: Bibel lesen und
gnostisch arbeiten bzw. leben.
Integrale Gnosis ist der
Gegenentwurf zur Patchwork-Religion. Integrale Gnosis ist die
konsequente, mystische Fortsetzung und Übersetzung des christlichen
Impulses in das moderne, das Wassermann-Zeitalter.
Gewisse
Vorstufen der Gedanken der integralen Gnosis sind bereits vor Jahren
gemacht worden, aber sie wurden vergessen oder falsch ausgelegt, und
falsche Auslegung meint hier den weiteren Alleinbezug auf die Erlösung
durch Christus. Hier beginnt es anders zu werden, hier muss integriert
werden. Der Mensch, auf der Suche nach Erlösung, stellt sich in die
Mitte aller geistig-göttlichen Kräfte, auf dass ihre Energien durch ihn
fließen und sich so miteinander verbindung, alle Teilungen aufzuheben.
Das Vorbild hierfür ist, im Wortsinne, das Bild des Ostermysteriums.
Jesus Christus ist eine Leitfigur, eine Art Heiliger, dessen Pfad ein
jeder auf dem Weg zum Einklang mit der Göttlichkeit gehen muss, dass
heißt: sich allen Gewalten göttlichen Ursprungs, also allen Geschöpfen
und Gedanken stellen.
Die indischen Yantras in ihrer vielfältigen
Punktsymmetrie entsprechen einem ähnlichen System. Für die integrale
Gnosis bedeutet dies, dass der Mensch sich im Zentrum eines solchen
Yantras befindet und alle Kräfte um ihn tosen. Er hat sie zu bündeln und
durch sich zu lenken, dann vereinen sie sich geistreich-schöpferisch in
ihm.
Doch werden wir konkret. Die dualistische Einteilung in GUT
und BÖSE ist veraltet, sie entstammt dem petrischen Christentum der
Kirchengemeinden. Es gibt eine vielzahl mächtiger Kräfte, die
gegeneinander wirken, nichtsdestotrotz alle in Beziehung zueinander
stehen. Die vier mächtigsten, die Urmächte bilden eine Quadrinität und
sind:
- Gott-Schöpfer, der alttestamentarische Demiurg, יהוה. Die Namen sind viele. Er ist das schöpferische Prinzip, der matriarchalische Rachegott und somit die Kraft der Herrschaft.
-
Gott-Zerstörer, Satan, der Widersache und Ankläger. Er ist des
Schöpfers direkter Gegenspieler und im Gegensatz zu dessen Beständigkeit
allein im Hier und Jetzt mächtig als weibliches Prinzip der Lust des
gelebten Augenblickes mit all seinen Genüssen.
- Gott-Sohn, Jesus
Christus, ist das weibliche Prinzip der Fürsorge, der geistigen Liebe
und Überwindung des Todes in ewiger Wiederkehr.
- Gott-Kraft,
Luzifer, der unbeugsame Engel, ist das männliche Prinzip geistiger
Potenz und Seelenkraft, das ganzheitlich-bewusste Leben.
Geeint werden alle diese Kräfte vom Heiligen Geist, der als göttliches Urprinzip alles durchdringt.
Integrale
Gnosis heißt nun nichts anderes, als im Bewusstsein der Vielfalt der
Kräfte zu Leben und in gleichwertiger Verehrung bzw. Ritualisierung
dieser die Transzendenz und schlussendlich den Übergang in die göttliche
All-Einheit zu erreichen. Kirchen können nur bedingt als Stützen dabei
dienen, schließlich bleibt Gnosis individuelle Erfahrung.