02.09.2012

Integrale Gnosis

Patchwork-Religionen sind en vogue. Das Unvermögen der Heutigen, sich einer Kirche und ihrer Mystik zu widmen, ist groß und zeitgleich machen es jene Kirchen einem auch nicht leicht, passen sie sich doch auch dem antidogmatischen Zeitgeist in Glaubensfragen an. Da der Normalgläubige nun auch nicht unbedingt die geistige Reife und Offenheit hat, Glaubensfragen wirklich zu durchdringen, glaubt er eben von allem etwas, nämlich, was ihm gefällt. Ein bisschen christliche Nächstenliebe, ein bisschen buddhistische Reinkarnationslehre (hinduistische ist ja ob der Kastendogmatik absolut nicht angesagt), dann noch islamische Wissenschaftsnähe und, nicht zu vergessen, diverse indigene Schamanenzauber. Hier paart sich gefährliches Halbwissen mit weltoffenem Gutbürgertum, dass niemals eine wirklich erkenntnisreiche Glaubenserfahrung ermöglichen kann.
Doch Patchwork-Religionen sind gar nicht notwendig. Sie sind vornehmlich ein Phänomen der christlich-westlichen Welt und gerade die Christen bräuchten sie eigentlich nicht, würden sie die Kirchen und die Gesellschaft nicht derartig einlullen, sich wirklich intensiv mit den Botschaften christlicher Lehre auseinander zu setzen, sprich: Bibel lesen und gnostisch arbeiten bzw. leben.

Integrale Gnosis ist der Gegenentwurf zur Patchwork-Religion. Integrale Gnosis ist die konsequente, mystische Fortsetzung und Übersetzung des christlichen Impulses in das moderne, das Wassermann-Zeitalter.
Gewisse Vorstufen der Gedanken der integralen Gnosis sind bereits vor Jahren gemacht worden, aber sie wurden vergessen oder falsch ausgelegt, und falsche Auslegung meint hier den weiteren Alleinbezug auf die Erlösung durch Christus. Hier beginnt es anders zu werden, hier muss integriert werden. Der Mensch, auf der Suche nach Erlösung, stellt sich in die Mitte aller geistig-göttlichen Kräfte, auf dass ihre Energien durch ihn fließen und sich so miteinander verbindung, alle Teilungen aufzuheben. Das Vorbild hierfür ist, im Wortsinne, das Bild des Ostermysteriums. Jesus Christus ist eine Leitfigur, eine Art Heiliger, dessen Pfad ein jeder auf dem Weg zum Einklang mit der Göttlichkeit gehen muss, dass heißt: sich allen Gewalten göttlichen Ursprungs, also allen Geschöpfen und Gedanken stellen.
Die indischen Yantras in ihrer vielfältigen Punktsymmetrie entsprechen einem ähnlichen System. Für die integrale Gnosis bedeutet dies, dass der Mensch sich im Zentrum eines solchen Yantras befindet und alle Kräfte um ihn tosen. Er hat sie zu bündeln und durch sich zu lenken, dann vereinen sie sich geistreich-schöpferisch in ihm.
Doch werden wir konkret. Die dualistische Einteilung in GUT und BÖSE ist veraltet, sie entstammt dem petrischen Christentum der Kirchengemeinden. Es gibt eine vielzahl mächtiger Kräfte, die gegeneinander wirken, nichtsdestotrotz alle in Beziehung zueinander stehen. Die vier mächtigsten, die Urmächte bilden eine Quadrinität und sind:
 - Gott-Schöpfer, der alttestamentarische Demiurg, יהוה. Die Namen sind viele. Er ist das schöpferische Prinzip, der matriarchalische Rachegott und somit die Kraft der Herrschaft.
 - Gott-Zerstörer, Satan, der Widersache und Ankläger. Er ist des Schöpfers direkter Gegenspieler und im Gegensatz zu dessen Beständigkeit allein im Hier und Jetzt mächtig als weibliches Prinzip der Lust des gelebten Augenblickes mit all seinen Genüssen.
 - Gott-Sohn, Jesus Christus, ist das weibliche Prinzip der Fürsorge, der geistigen Liebe und Überwindung des Todes in ewiger Wiederkehr.
 - Gott-Kraft, Luzifer, der unbeugsame Engel, ist das männliche Prinzip geistiger Potenz und Seelenkraft, das ganzheitlich-bewusste Leben.
Geeint werden alle diese Kräfte vom Heiligen Geist, der als göttliches Urprinzip alles durchdringt.

Integrale Gnosis heißt nun nichts anderes, als im Bewusstsein der Vielfalt der Kräfte zu Leben und in gleichwertiger Verehrung bzw. Ritualisierung dieser die Transzendenz und schlussendlich den Übergang in die göttliche All-Einheit zu erreichen. Kirchen können nur bedingt als Stützen dabei dienen, schließlich bleibt Gnosis individuelle Erfahrung.